Festivalbüro auf Rädern

Die Sonne steht hoch am Himmel und die Temperaturen nähern sich den 30 Grad, als ich mich mit meinem Fahrrad auf den Weg in Richtung Zeltplatz mache. Der Wind sorgt für ein angenehm frisches Gefühl. Dieses Wetter, der knarzende Schotter unter den Rädern, das sind Erinnerungen an vergangene Festival-Sommer. Heute ist die frisch gemähte Wiese noch leer. Nur ein Berg Schotter lässt vermuten, dass sich hier bald einiges tun wird.

Verabredet habe ich mich mit Christoph, den ich nur als „Golle“ kenne und seiner Frau Sabine. Sie sind beide seit Jahren im Verein engagiert und sind deshalb auch schon etliche Monate in die Vorbereitungen des kommenden Festivals involviert. Diese Arbeit erledigen die beiden von überall. Denn: Golle und Sabine sind viel mit dem Wohnmobil unterwegs. Oft treibt es sie in den Norden, nach Skandinavien oder ans Nordkap. Heute sind sie jedoch in der Heimat und deshalb treffen wir uns hier zwischen Festplatz und Remsufer.

Zum Verein gekommen sind die beiden Oberweissacher über ein Peter-Frampton-Konzert vor nun knapp 20 Jahren. Seitdem haben sie den Verein lieben gelernt, sind gerne dabei und übernehmen mit den Jahren immer mehr Verantwortung. Waren sie zu Beginn noch als Ordner bei den Veranstaltungen anzutreffen, hat es Golle schnell in den Vereinsausschuss gezogen. Auch seine Frau Sabine kümmert sich das Jahr über um Aufgaben wie das Künstler-Catering bei den Hallenkonzerten.

Wenn man Golle heute fragt, welche Rolle er im Verein hat, dann lacht er nur. Seine Aufgaben sind mindestens so vielfältig wie seine Arbeitsorte. Er ist verantwortlich für die Pressearbeit, bereitet die Inhalte der Sitzungen vor und schreibt deren Protokolle. Darüber hinaus kümmert Golle sich um die Versicherungen, das Sicherheitskonzept und die Koordination von Einzelwünschen der Bands. Gerade Letztere fordern ihn immer wieder heraus und verlangen schnelle und pragmatische Lösungen. So wurden beim großen Helfertreffen beispielsweise 12 Ventilatoren organisiert, damit die Künstler und deren Helfer in den Hotelzimmern möglichst nicht ins Schwitzen kommen. Eine andere Herausforderung wurde erst vor ein paar Tagen bekannt, als ihn die Nachricht der Gemeinde erreichte, dass anstelle der vereinbarten 2100 Stühle nur 1600 Stühle geliefert werden können. Jetzt gilt es Alternativen zu finden. Und zwar solche, die man den Besuchern auch zumuten kann. In der Vergangenheit seien auch schon mal vom Regen stark beschädigte Stühle mit Klebeband repariert worden, erinnert sich Sabine. Das möchte man dieses Jahr verhindern.

Etwas mehr Aufregung hat die Absage des Alan Parsons Konzert gesorgt. Eine solche Konzertabsage sei ein Super-GAU meint Golle. Zwar sei ein solcher Ausfall immer vertraglich geregelt. Dennoch komme es auf die Details an: Wer sagt wann ab? Wird abgesagt oder verschoben? Was sind die möglichen Alternativen? Diese Themen beschäftigen ihn und den Ausschuss. In einer eigenen Sitzung wird gleich nach unserem Gespräch darüber gesprochen. Die geforderten Extras der Band, wie beispielsweise ein spezielles Mischpult, konnten noch rechtzeitig storniert werden. Eine Ersatzband ist nicht ausgeschlossen, aber auf jeden Fall mit enormem Aufwand verbunden. Schließlich sind es nur noch etwa vier Wochen bis zu diesem Abend. Später anfangen lohne sich aber auch nicht. Schließlich sei ja auch im Biergarten alles bereit. Wir sind gespannt, was sich der Vereinsausschuss noch einfallen lässt.

Ein weiterer kniffliger Punkt ist wie jedes Mal der Aufbau von Boden, Bühne und Sitztribüne. Alles drei ist wichtig, bedingt sich aber gegenseitig. Das Technikteam braucht den Boden, um mit dem Aufbau der Bühnentechnik zu starten. Die Position der Tribüne hängt vom Boden und damit auch von der Position der Bühne ab. All das will koordiniert werden. Gut, dass der Ausschuss zahlreich besetzt ist und auf die vielen ehrenamtlichen Helfer Verlass ist.

Bei all dem, was Golle mir erzählt, beeindruckt mich eines ganz besonders: Seine Gelassenheit. Das scheint eine seiner Stärken zu sein. Und ich kann mir vorstellen, dass es gerade in seiner Rolle auch eine sehr wertvolle Eigenschaft für den Verein ist. Natürlich ändert sich das spätestens auf dem Platz etwas. Wenn in kürzester Zeit eine Handvoll Probleme gelöst werden wollen. Am besten gleichzeitig. Hier noch jemand mit einer Frage vorbei schaut, dort der Internetzugang für den Backstage-Bereich noch nicht funktioniert. Dann kann es auch einem Ruhepol wie Golle kurzzeitig zu viel werden.

Gut, dass er eine Frau an seiner Seite hat, die ebenfalls ruhig und besonnen ist, die versucht, ihn bei Laune zu halten und ihm Aufgaben abnimmt. Übersetzungen ins Englische, Korrekturlesen von Texten oder das Überarbeiten der Helferlisten. Darüber hinaus kümmert sich Sabine um die Planung des Sponsorenbereichs. Sie übernimmt mit ihrem Team die Absprache mit dem Catering, steuert Rezeptideen für selbst gemachte Köstlichkeiten bei und skizziert den mit den Jahren immer größer gewordenen Bereich am Rande des Biergartens. Für dieses Jahr wurde die Zeltfläche noch einmal erweitert. Auch neue Sitzmöglichkeiten wird es geben. Hier zeigt sie mir stolz Fotos der Bänke, die Ausschussmitglied Micha bereits gebaut hat.

Unermüdlich scheint die Sonne auf das Dach des Wohnmobils, als ich Golle frage, was er sich für die Zukunft wünschen würde: Das Festival solle kleiner werden. Es sei zu groß geworden, das verursache zu viel Stress. Gerne erinnert sich Golle noch an das rote runde Zelt. Das sei von der Größe gut gewesen. Das jetzige Zelt passe ja nur gerade so noch auf den Platz. Auch Sabine bestätigt: Größentechnisch sei man am Limit, was diesen Platz betreffe. Gleichzeitig wissen die beiden auch, dass man die großen Produktionen nur dann nach Winterbach holen kann, wenn man möglichst viele Besucher unterbringt. Schließlich wolle man die Ticketpreise moderat belassen. Ein nicht einfaches Unterfangen.

Jetzt freuen sich die beiden erst einmal auf den mittlerweile traditionellen Besuch beim Bluesfest in Gaildorf. Dort treffen sich einige Vereinsmitglieder zum gemeinsamen Entspannen, bevor es dann — zurück in Winterbach — in die heiße Phase geht. Es sei ihnen gegönnt!

Fotos & Text: Beni Rupp